Humboldt Forum Proposal "Wort-Welt"

"Wort-Welt"  Humboldt Forum im Berliner Schloss
Treppenhäuser 1 und 5 Kunst-am-Bau-Wettbewerbsbeitrag


I. Inhaltliche Beschreibung
Der Wettbewerbsbeitrag "Wort-Welt" als künstlerische Intervention für die Treppenhäuser der Portale 1 und 5 thematisiert die, für ihre Zeit so umwälzenden neuen Ansichtsweisen der Humboldt-Brüder. Die Herangehensweise des Künstlers bei seiner Arbeit "Wort-Welt" ist assoziativ und kreativ, bezieht aber auch historische Dokumente mit ein.
Beim Besuch des Humboldt Forums im Berliner Schloss, vor allem bei der Passage durch den öffentlich zugänglichen Schlüterhof, wird der Besucher mit der elementaren Form des Kreises, in diesem Fall mit zwei überdimensionalen Ringen, konfrontiert. Diese Ringe hängen hochkant von den Decken der beiden Treppenhäuser und können von außen vor allem durch das zentrale, große Fenster gesehen werden, aber Teile der Ringe sieht man ebenfalls durch die kleineren Seitenfenster der Treppenhäuser. Da die Ringe aus einzelnen von innen beleuchteten Elementen bestehen, lassen sie sich auch nach Öffnungszeit des Humboldt Forums z.B. beim abendlichen Flanieren oder während Veranstaltungen betrachten. Sie bilden eine diskrete Verbindung zwischen den Skulpturen der Fassade, die sich rechts und links des riesigen Fensters am Portal befinden und stellen eine farbige Lichtintervention dar, die die Architektur unaufdringlich "bekränzt".
Diese leuchtenden Ringe sind auch innen ein räumlich übergreifendes Element, das gleichzeitig eine Verbindung und Spannung zwischen der zeitgenössischen und farblich neutralen Architektur des Treppenhauses und der archaischen Form des Kreises und der Farbigkeit der künstlerischen Arbeit schafft. Die Ringe zeigen in sich selbst einen weiteren Kontrast, nämlich in ihrer abgerundeten Form und in der Struktur der horizontalen und vertikalen Gitternetzlinien, die fast wie ein Mauerwerk angelegt sind. Diese Fugen ergeben sich zwischen den einzelnen Lichtelementen und stehen für die strukturgebenden und strukturierten wissentlichen Erkenntnisse der Humboldt-Brüder.
Die Anmutung dieser Ringe kann an diesem Ort als ein Zitat des monumentalen Ährenkranzes, der am selben Ort den Palast der Republik zierte, verstanden werden. Die Leere der Ringe ohne „Hammer und Zirkel“ Emblem, unterstreicht den Neuanfang in einem Wissenschaftsforum ohne ideologisch geprägte Nutzung.
Diese Ringe zeigen bei näherer Betrachtung, z.B. beim Eintreten in die Treppenhäuser eine zweidimensionale künstlerische Interpretation verschiedener Etappen und wissenschaftlicher Erkenntnisse der beiden Humboldt-Brüder. Ihre Beobachtungen der Natur und der Kulturen ordneten die Welt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in neue Systeme. Die Vielfalt der Arbeit der Humboldt-Brüder wird durch insgesamt 1000 von innen beleuchteten Bildelementen versinnbildlicht und anhand der ausgewählten Motive visualisiert. Die physische Beschaffenheit der in Kreisform angeordneten Lichtelemente lässt den Besucher die Systeme unserer Welten näher begreifen. Die Form des Kreises vereint in sich unterschiedliche Zyklen: z.B. der Gezeiten und der Biosysteme. Der Kreis ist aber auch Symbol in der Sprache und der Kultur, er ist ein Werkzeug der Mathematik und der Wissenschaften. Die beiden in 500 Bausteine aufgeteilten Installationen transportieren die vielfältigen der Ideen der Humboldt-Brüder durch die künstlerische Projektion über mehrere Rezeptionsebenen in unsere Zeit.

"Wort-Welt": Zwei Treppenhäuser - Zwei Brüder - Zwei Kunstwerke - Ein Konzept
Alle vier Ringseiten der "Wort-Welt" Installation sind unterschiedlich gestaltet, aber sie werden durch künstlerische Elemente und Stile in ein gemeinsames Konzept zusammengebracht.
Treppenhaus 1 - "Wort" - Wilhelm von Humboldt, Universalgelehrter und Linguist
Der Aufstieg durch das Treppenhaus 1 führt den Besucher an das Kunstwerk "Wort", das uns an Wilhelm von Humboldts wissenschaftliche Innovationen annähert. Es lässt uns verstehen, wie er Einblicke in systematisierte und doch vielfältige Kulturphänomene bekam, und wie er durch Erforschung der Völker und deren Sprachen Verständnis über die Besonderheiten des menschlichen Seins gewinnen konnte und ein darauf basierendes Regelwerk schaffen konnte. Die Spezifika der menschlichen Sprache vergleicht der Künstler in seiner Arbeit mit der Kommunikation der Biene und bezieht sich auf ein Forschungsgebiet, das bereits Aristoteles beschritt und mit dessen Entschlüsselung die Wissenschaft noch nicht am Ende ist. Die Kommunikation der Biene erfolgt in einer Art "Bienentanz". Der Ablauf dieses Tanzes wird in der Arbeit "Wort" als Linie dargestellt, da die Biene durch Wege und Bewegung kommuniziert. Diese Linie des Tanzes ist in eine gemalte Farbfläche graviert.
Treppenhaus 5 - "Welt" - Alexander von Humboldt, Reisender und Forscher
Aus der Ferne wird der Besucher diesen Ring als eine helle, energetische Intervention erleben. Sie zeigt eine künstlerische Interpretation der Isothermenkarte, die 1817 nach Alexander von Humboldts Forschungsergebnissen erstellt werden konnte. Die Arbeit "Welt" nutzt, wie auch "Wort", die lichtdurchlässige Kunststofffolie, welche innenseitig, seitenverkehrt bemalt wird und in 250 Lichtelemente aufgeteilt wird. Die künstlerische Technik der Malerei kann man als älteste künstlerische Ausdrucksform bezeichnen. Alexander von Humboldt selbst zeichnete und malte seine Forschungsergebnisse. Im Kontext der modernen Innenarchitektur des Humboldt Forums wird das im expressiven Stil des Künstlers gemalte Motiv der Isothermenkarte im zeitgenössischen Kontext wahrgenommen.

Vorder- und Rückseiten der Ringe - Neugierde und Klarheit
Der Künstler unterscheidet bei den Seiten der Ringe zwischen zwei unterschiedlichen Betrachtungsebenen. Die Vorderseite, die zum Schlüterhof zeigt, ordnet er dem Begriff Klarheit zu. Die Rückseite, die nur beim Aufenthalt im Treppenhaus gesehen werden kann, widmet sich der Neugierde. Die beiden Seiten der Ringe symbolisieren die Arbeit der Humboldt-Brüder, die aus ihren kleinteiligen Beobachtungen Systeme erkannten und Überblick über die Beschaffenheit der Welt geben konnten.
Neugierde
Die Erkenntnisse der Menschheit beruhen auf der Beobachtung von Details in der Natur und den Kulturen. Diese Beobachtungen wecken die Neugierde des Menschen. Der Wissensdurst lässt Forscher wie die Humboldt-Brüder ihrer Neugierde folgen.
Beim Benutzen der Treppen sowie beim Überqueren oder beim Aufenthalt auf der Balustrade kann der Besucher einen genauen Blick aus der Nähe auf die je 250 einzelnen Bilder der Ringrückseiten werfen, die an der nahesten Stelle nur 1,5m von der Balustrade entfernt sind.
Die Rückseiten betrachten die facettenreichen Aspekte des Lebens der Humboldt-Brüder und die Geschichte des Ortes, an dem das Humboldt Forum entsteht. Diese mehreren hundert Bilder bestehen aus Reproduktionen von historischen Fotos, Zeichnungen und Drucken aus dem bpk Bildarchiv, die hinter die Oberfläche des Kunststofffilms in die Lichtelemente gelegt sind. Hier entsteht ein "hinter Glas"- Effekt. Der Künstler illustriert die Neugierde der Humboldts mit Bildern. Assoziativ nimmt der Künstler auch gegenwärtigere Themen in diese Kunstkammern in Ringform auf. So erlebt der Besucher nicht nur Wissenschaftsaspekte, sondern ist auch inmitten einer optischen Erinnerungskultur. Der Künstler zeigt hier auch Abdrucke der Ringvorderseiten in Verkleinerung sowie stilisierte Darstellungen der Biene in seinem typischen "Stencelstil". Apis mellifera ist eines der kleinsten, aber absolut unabdingbarsten Elemente, wenn es um den Fortbestand aller Ökosysteme geht. Die Kommunikation dieser Wesen ist auch das Thema der Vorderseite des Rings "Wort".
Klarheit  
Die Vorderseite der Ringe kann der Besucher wahrnehmen, wenn er aus der Distanz. z.B. aus dem Schlüterhof oder vom gegenüberliegenden Portal ins Treppenhaus herüber blickt. Beim Betreten der Treppenhäuser wird der Besucher, anders als die Humboldt-Brüder zuerst die Klarheit erleben; die Erkenntnisse der Forschung sind ihm bekannt, auch wenn er bereits einen Schritt weiter ist und gerade durch diese Klarheit zur Wahrnehmung der Störung der großen Systeme fähig ist. Klimawandel und Colony Collapse Disorder (Bienensterben) gefährden das Gefüge unseres Kosmos.
Die beiden ringförmigen Gemälde, die unter dem Motto "Klarheit" die vorderen Ringseiten zieren, bestehen ebenfalls aus Lichtelementen. Als Ganzes gesehen zeigen sie zwei Themen, die der Künstler mit den Forschungen der Humboldt-Brüder verbindet: "Wort" und "Welt". Für den Künstler ist die Gestaltung der Vorderseiten der Ringe mit einem durchgängigen Thema ein Gegensatz zu den kleinteiligen Rückseiten. Klarheit ist ein Begriff, der einen intellektuellen Zustand charakterisiert, er wird hier sichtbar. Die künstlerische Interpretation ist in ihrer Beschaffenheit dennoch vielschichtig.  Die künstlerische Herangehensweise an diese Themenwahl greift zeitgenössische Ausdrucksformen der Streetartkunst auf. Der Künstler arbeitet auf der "Klarheit"-Seite mit ölhaltigen Farben auf transparenter Kunststofffolie. Der Farbauftrag erfolgt üppig in seinem abstrakt expressiven Stil. In Folge seines Schaffensprozess kratzt der Künstler Farbschichten an einigen Stellen wieder heraus und schafft so die Linien, die die Aussagen der gewählten Systeme formulieren.


II. Technische Beschreibung
Die beiden im Außendurchmesser 5 Meter großen Ringe hängen an je zwei ca. 8 mm dicken Stahlseilen von der Decke der Treppenhäuser, diese beiden Stahlseile sind mit 12 Volt stromführend. Jeder Ring besteht aus 60 sich gegenseitig überlappenden 60 cm x 96 cm x 6 mm starken Sperrholz-Segmenten, die den Körper der 60 cm breiten Ringe bilden. Die Tiefe der Ring-Innenkörper besteht also aus 3 mal 6mm starken flammenhemmenden Sperrholz. Die 60 Sperrholz-Segmente werden  per Laser in ihre halbrunde Form geschnitten. Die Segmente weisen per Laser geschnittene runde Öffnungen (pro Ring 350) auf. Um jede dieser Öffnungen befinden sich 4  Einschnitte, an denen jeweils zwei 4mm starke und 40 mm tiefe Flanschwände befestigt werden, auf welche später die einzelnen Lichtelemente geschoben werden. Diese, durch alle drei Schichten der Ringe gesteckten Flanschwände stellen neben einer festen Verschraubung der sich überlappenden Segmente, auch eine erhebliche flächige Stabilisierung der Ringkonstruktion dar. Zwischen den beiden äußeren 6mm starken Sperrholzplattenschichten verläuft die Verkabelung der 500 Lichtelemente durch die mittlere Sperrholzschicht, in welche die entsprechenden Kabelkanäle geschnitten sind. Jedes der 500 Lichtelemente besteht aus einer Seite künstlerisch gestaltetem, lichtdurchlässigem PET. Die gegenüberliegende Seite ist offen, da hier die Halterungen (ebenfalls aus Sperrholz) und die Verkabelung für die LED-Spots eingehen und diese offene Seite am Sperrholzkörper befestigt ist. Alle anderen vier Seiten der Lichtelemente bestehen aus archivierbarer, mit flammenhemmender Beschichtung verstärkter, fester grauer Pappe. Jede der ca. 250 kg leichten Ringkonstruktionen wirkt fragil in ihrer hängenden und modularen Form, ist aber sehr stabil. Die Lichtelemente enthalten pro Ring insgesamt 1.400 energiesparende und wenig Wärme erzeugende 2-Watt LED-Spots, die auch bei Tageslicht oder indirekter Beleuchtung einen sichtbaren Lichteffekt schaffen. Diese LED-Spots sollten alle vier bis fünf Jahre ausgetauscht werden. Dies lässt sich sehr einfach handhaben, da sich alle Lichtelemente ganz ohne Werkzeug per Hand aus ihren Halterungen ziehen lassen.
Die sichtbare Oberfläche befindet sich, angesichts der Höhe eines jeden Lichtelements ca.11cm vom Sperrholzkörper entfernt. Die einzelnen Lichtelemente haben untereinander einen Abstand von 9 mm. Da die Konstruktion relativ leicht ist, kann sie problemlos von einer Person bewegt werden, um Reinigungs- und Wartungsarbeiten am Treppenhaus oder Fenster durchzuführen. An der unteren Ringseite ist innen am Sperrholzkörper eine 6mm starke Metallvorrichtung vorgesehen, welche erst bei Bedarf in eine dafür vorgesehene Tasche hinein geschoben werden kann. An dieser kann ein Seil befestigt werden, mit dem sich der Ring von der Balustrade oder von der Treppe von seinem natürlichen Ort, an den ihn die Seilhängung positioniert, wegziehen lässt, sodass sich das Fenster reinigen lässt.
Die Reinigung des Kunstwerkes erfolgt alle zwei Jahre. Bei dieser wird es an seiner Oberfläche mit einem feuchten Lappen abgestaubt. Das Absaugen der Zwischenräume zwischen den Lichtelementen kann ebenfalls bei dieser Gelegenheit erfolgen.

Durch den Einsatz von archivierbarem Papier und anderen Materialien, die mit ihren technischen Daten bekannt sind, sollte das Objekt in seiner jetzigen Form mehr als 300 Jahre bestehen können. Der modulare Aufbau und die digitale Archivierung von Konstruktionsdateien stellen sicher, dass jeder Teil der Struktur auf Dauer ersetzt werden kann. Es wird erwartet, dass die bemalten Oberflächen in der Haltbarkeit allen Arbeiten mit Künstler-Ölfarben entsprechen.