Berlin Gallery Weekend
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Von der Flüchtigkeit urbaner Szenerien
Zu den Arbeiten von David Antonides
Keiner der ikonischen Wolkenkratzer, kein Times Square, kein Central Park – und doch zeigen viele der großformatigen Stadtbilder von David Antonides ganz eindeutig New York. Hohe Straßenschluchten, in die das Licht von oben hereinzubrechen scheint. Ein Bürgersteig mit einer Straßenlaterne und Passanten im Hintergrund, die im Mittagssonnenschein ein flirrendes Spiel aus Licht und Schatten bilden. Eine Kulisse aus Fahrzeugen, die sich höchst komplex in den Hintergrund verschachtelt, darüber dominierend eine Ampel. Eigentlich alles Motive, die in jeder Metropole dieser Erde zu finden sind – und doch ist es unverwechselbar New York.
Es ist die Kunst von David Antonides, seine Motive so weit zu abstrahieren, dass sie – von einigen Ausnahmen abgesehen – weniger auf die Abbildung von konkreten Orten abzielen, als darauf, die Essenz, den Geist und die spezifische Ästhetik einer Stadt abzubilden. So sind auch die Gebäude, die Fahrzeuge und nicht zuletzt die Menschen auf diesen Bildern so stark stilisiert, dass man sie zwar sofort als Gebäude, Fahrzeug oder Mensch erfasst, ohne aber in die Verführung zu geraten, sie eindeutig identifizieren zu wollen.
Eigenartigerweise treten der Geist und die besondere Ästhetik von New York offenbar noch viel klarer in Erscheinung, wenn das Abbild abstrakter wird. Das passiert jedenfalls, wenn David Antonides mit seinem reichhaltigen Repertoire an Maltechniken ans Werk geht. Auch wenn man es oft auf den ersten Blick nicht sieht, so ist doch das Aquarell die bevorzugte Arbeitstechnik des Malers. Untergründe können klassisches Papier oder Acetatplatten sein. Statt der für Aquarelle zumeist verwendeten Klein- und Mittelformate sind es bei Antonides oft größere Tafelbildformate – gern auch mal 1,80 mal 1,10 Zentimeter. Und diese stattlichen Untergründe werden langwierigen Arbeitsprozessen unterzogen, wobei das Wasser und seine beabsichtigten und zufälligen Wirkungen ein wichtiger Faktor sind. Antonides malt, schüttet Wasser, wartet ab, bürstet, übermalt. Das Papier selbst wird zum Objekt, es geht um Reaktionen des Materials, umständige Veränderungen. Um Farbübergänge, um Farbstrukturen, um Oberflächenstrukturen. Bei einigen Arbeiten sind einige Bereiche auch mit bemalten Papierstücken unterlegt, die eine weitere Tiefenschicht bilden. So entstehen mit der Zeit komplexe Bilder, deren Oberflächen mit seinen Augen abzusuchen ein rechtes Abenteuer darstellen.
Diese komplexe Arbeitsweise weitet sich bei jüngeren Arbeiten mit Glas auch ins Dreidimensionale aus. Und hinzu kommt, dass nun auch Berlin in den Arbeiten von David Antonides seine Spuren zu hinterlassen beginnt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich in dieser über lange Monate hinweg so grauen, fahlen Stadt auch die Palette des Malers weiter reduziert. Blaugrau in allen seinen Facetten, dazu wenige rötliche Töne, die vielleicht von jenen Farbtönen angeregt sind, mit denen die Sonne abends die Berliner Häuserschluchten koloriert; dazu viel Weiß in allen seinen Untertönen – das scheint die Berliner Farbpalette zu sein, mit der Antonides Motive aus dem Hauptbahnhof, dem Flughafen Tempelhof oder aus seinem neuen Weddinger Lebensumfeld darstellt.
Aus allen Bildern spricht eine besondere Fähigkeit, die Essenz eines Motivs, einer Stadt, einer urbanen Situation zu erfassen und darzustellen. Vielleicht ist das eine Fähigkeit, die Antonides auf seinen vielen Reisen erworben hat. Es geht darum, das Spezifische zu erfassen, auch dort, wo Städte, Straßen oder Menschenkonstellation auswechselbar, beliebig zu sein scheinen. Gleichzeitig ist immer eine Flüchtigkeit, eine Momenthaftigkeit in den Bildern von David Antonides, die in einem reizvollen Kontrast zum langwierigen Arbeitsprozess steht, in dem diese Bilder entstanden.
Der Blick, der diese urbanen Motive erfasst, ist zudem kunstgeschichtlich geschult. Ein besonderes Interesse verbindet Antonides etwa mit der Kunst des Kupferstichs, einer Technik, mit der jahrhundertelang auch Städte abgebildet und dadurch „Images“ von Städten in die weite Welt transportiert wurden. Auch der Kupferstich erfordert ein langsames, sorgfältiges Arbeiten.
Die zunehmende Verwendung von Auslassungen und weißen Flächen auf den Bildern verweist zudem auf asiatische Darstellungskonventionen. Die Bildfläche mit großer Bewusstheit nicht bis in alle Winkel zu füllen gibt dem Bild einen freien Atem und schafft weite Bildräume, in denen sich der Betrachter frei ergehen kann.
Auf diesem soliden historischen Fundament errichtet Antonides seine absolut zeitgenössischen und zeitgemäßen Bilder, die einen tiefen, häufig leicht angeschrägten Blick auf eine Gegenwart werfen, deren Sensationen im scheinbar Vertrauten und Alltäglichen liegen.
Johannes Wendland, Kulturjournalist in Berlin